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Equal Pay Day: So kommt die Lohnlücke zustande

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Obwohl Diversity-Debatten in Unternehmen, aber auch vom Gesetzgeber immer mehr Aufmerksamkeit erhalten, bleibt die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern seit vier Jahren gleich:  Frauen verdienen weiterhin 18 Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Anders ausgedrückt: Frauen erhalten im Schnitt einen Stundenlohn von 20,84 Euro brutto, während Männern von ihrem Arbeitgeber 25,30 Euro gezahlt wird. Damit arbeiten weibliche Beschäftigte im Vergleich zu ihren männlichen Counterparts an 66 Tagen im Jahr umsonst.

Care-Arbeit und Teilzeit

Die Gründe hierfür sind unterschiedlich und begünstigen sich teils gegenseitig. Zum einen spielt die Arbeitszeit eine Rolle. Denn Frauen gehen tendenziell weniger Stunden in der Woche einer bezahlten Tätigkeit nach als Männer. Das liegt größtenteils an der weiterhin ungleichen Verteilung von Erwerbs- und Care-Arbeit zwischen den Geschlechtern. Laut dem Netzwerk Business of Professional Women (BPW) Germany, das den Aktionstag Equal Pay Day in Deutschland maßgeblich mit einer Kampagne begleitet, verrichten Frauen rund 44 Prozent mehr unbezahlte Care-Arbeit – sie kümmern sich also um Kinder und Angehörige – als Männer. Das hat zur Folge, dass weibliche Talente häufiger in Teilzeit arbeiten als ihre männlichen Kollegen. Und das wiederum bringt ihnen ein geringeres Gehalt ein.

Grund für diese Spirale sind meist veraltete Rollenbilder, die dafür sorgen, dass Frauen gesamtgesellschaftlich eher als verantwortlich für die Kindererziehung und Pflege von Angehörigen angesehen werden als Männer. „Die ungleiche Verteilung der Arbeitszeit hat viel damit zu tun, dass stereotypische Rollenbilder und strukturelle Hürden einer partnerschaftlichen Aufteilung im Weg stehen, und entspricht oft nicht den Wünschen der Geschlechter“, sagt Birte Siemonsen, Präsidentin vom BPW Germany.

Aber auch gesetzliche Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass sich diese Stereotype nur langsam lösen. So etwa das Ehegattensplitting bei der Steuerklassenzuordnung, Elternzeitregelungen oder mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Laut Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) ist die Politik jedoch gerade dabei, diese Missstände zu beheben. „Ich setze mich als Gleichstellungsministerin mit der Familienstartzeit dafür ein, dass diese Aufteilung schon in der Familiengründung im Alltag zwischen den Eltern gelingt“, sagt Paus. „Hinzu kommt eine verlässliche und qualitätsreiche Infrastruktur für Kinderbetreuung, ob in der Kita, bei Ganztagsschulen oder für die Pflege – auch die bauen wir aus.“ Konkrete Resultate sind allerdings nur langsam sichtbar. Auf das Gesetz zur Familienstartzeit warten Eltern seit rund zwei Jahren. Ein Mangel an Kitaplätzen gibt es weiterhin vielerorts.

Weniger Karrieremöglichkeiten

Frauen verdienen also weniger als Männer, weil sie häufiger Care-Arbeit übernehmen und deshalb oftmals in Teilzeit tätig sind. Die kürzere Arbeitszeit wiederum beeinflusst – auch basierend auf Stereotypen – die Förderangebote und Karrieremöglichkeiten für weibliche Talente. So zeigt das Randstad Arbeitsbarometer 2023, dass Arbeitgeber mit Männern weitaus häufiger über Karrieremöglichkeiten und den Kompetenzerwerb sprechen als mit ihren Kolleginnen. 40 Prozent der Frauen gaben an, dass ihr Arbeitgeber nie mit ihnen über ihre Entwicklung und Karriere spricht. Bei den Männern stimmen dieser Aussage 29 Prozent zu.

Dass ihr Arbeitgeber sie nicht beim Kompetenzerwerb unterstützt, sagen zudem 58 Prozent der Frauen. Bei den Männern sind dies nur 47 Prozent. Randstad-CSR-Expertin Carlotta Köstner begründet dies mit der höheren Teilzeitquote von Frauen. „Teilzeitbeschäftigte werden häufig nicht für Führungsrollen in Betracht gezogen, weil für viele Arbeitgeber oftmals nicht die Qualifikationen, sondern eine hohe Präsenzzeit ausschlaggebend sind“, sagt sie.

Berücksichtigt man neben der kürzeren Arbeitszeit von Frauen auch noch die Tatsache, dass weibliche Beschäftigte tendenziell vermehrt in Berufen und Branchen mit einer geringeren Bezahlung arbeiten als Männer, liegt der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap bei sechs Prozent.

Frauen fordern weniger häufig Gehaltserhöhungen

Manche Expertinnen und Experten glauben, dass sich die Lohnlücke auch dadurch ergibt, dass Frauen seltener und weniger selbstbewusst Gehaltserhöhungen fordern als ihre Kollegen. Der „Work needs Women Report“ der Online-Jobbörse Indeed ergibt, dass 2023 rund 45 Prozent der teilnehmenden weiblichen Beschäftigten in Deutschland noch nie nach mehr Lohn gefragt haben. Und das, obwohl 57 Prozent der Frauen mit ihrem Gehalt unzufrieden sind.

Indeed hat die Frauen auch nach dem Grund für ihre Zurückhaltung in Gehaltsverhandlungen gefragt. Das Ergebnis: Bei 29 Prozent lag es an einem mangelnden Selbstbewusstsein, bei 24 Prozent daran, dass sie mit ihrer Vergütung zufrieden waren. Weitere Gründe sind: Betroffene Frauen haben negative Konsequenzen befürchtet, wenn sie nach mehr Geld fragen, oder wussten nicht, welches Gehalt für ihre Stelle angemessen ist.

Der letzte Punkt ließe sich unter Umständen laut verschiedenen Expertinnen und Experten – darunter auch die Studienverantwortlichen von Indeed – durch eine Gehaltstransparenz lösen. Aktuell enthalten nur 20 Prozent der Stellenanzeigen auf Indeed Gehaltsangaben. Das könnte sich in der nahen Zukunft durch die EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz ändern. Sie verpflichtet den Arbeitgeber dazu, Bewerbende über das Anfangsgehalt zu informieren und Mitarbeitenden in regelmäßigen Abständen Informationen zum durchschnittlichen Einkommen anderer Beschäftigter in vergleichbaren Tätigkeiten zukommen zu lassen. Zählt ein Unternehmen mehr als 100 Mitarbeitende, muss es über das Entgelt in regelmäßigen Abständen Bericht erstatten. Bei Verstößen könnten Mitarbeitende Schadenersatz fordern. Der deutsche Gesetzgeber hat bis Juni 2026 Zeit, die Inhalte der EU-Richtlinie in Bundesrecht umzusetzen.

Auch beim Bonus erhalten Frauen weniger

Interessant ist zu guter Letzt auch eine Analyse des ifo Instituts und der Unternehmensberatung Mercer. Demnach findet sich die Lohnlücke auch bei den Bonuszahlungen wieder, die von den bisher genannten Gründen weitestgehend unbeeinflusst sein sollten. In Deutschland bekommen Frauen bei den Bonuszahlungen 6,1 Prozent weniger Geld. Hier scheint wohl nur noch ein Grund bestehen zu bleiben: Die Arbeit von Frauen wird als weniger wertvoll angesehen – und auch das könnte wieder an Stereotypen und Vorurteilen liegen.

Wie Arbeitgeber die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen können, erfahren Sie in diesem Interview mit Philipp Riedel, CEO der Personalberatung Avantgarde Experts.

Lena Onderka ist redaktionell verantwortlich für den Bereich Employee Experience & Retention – wozu zum Beispiel auch die Themen BGM und Mitarbeiterbefragung gehören. Auch Themen aus den Bereichen Recruiting, Employer Branding und Diversity betreut sie. Zudem ist sie redaktionelle Ansprechpartnerin für den Deutschen Human Resources Summit.