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Arbeitswelt: Darauf haben sich Union und SPD bereits geeinigt

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Bei den Koalitionsverhandlungen geht es allmählich voran. Es gibt erste Ergebnisse der Arbeitsgruppen, wobei es insbesondere beim Arbeitsrecht noch wenig Einigungen gibt. Die Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales wird geleitet von Dr. Carsten Linnemann (CDU) und Katja Mast (SPD), sowie als stellvertretende Leiterin von Dagmar Schmidt (SPD). Bei der CSU ist Stephan Stracke Chefverhandler dieser Arbeitsgruppe. Bereits geeinigt haben sich die Verhandlungspartner auf folgende Maßnahmen: 

Fachkräftesicherung 

Wie bereits von CDU/CSU im Wahlprogramm angekündigt und im Sondierungspapier vor wenigen Wochen festgeschrieben, soll es eine digitale Agentur für Fachkräfteeinwanderung unter Mitwirkung der Bundesagentur für Arbeit geben. Sie soll „Work-and-stay-Agentur“ heißen. Bereits Anfang 2023 tauchte dieser Begriff unter den Reformvorschlägen der CDU/CSU-Fraktion auf. Eine bessere Arbeitgeberbeteiligung und ein einheitliches Anerkennungsverfahren innerhalb von acht Wochen inklusive Anerkennungs- und Qualifizierungsberatung soll die Fachkräfteeinwanderung verbessern. 

Derzeit sind Drittstaatlervermittlungen in der Zeitarbeit noch verboten. Das wollte bereits die Ampelkoalition ändern und hielt dies in der Wachstumsinitiative fest. Durch das verfrühte Ende dieser Regierung kam es nicht dazu, das Verbot aufzuheben. Im Sondierungspapier tauchte dieses Vorhaben nicht mehr auf. In den jetzigen Koalitionsverhandlungen fordert die Union lediglich: „Wir werden die Zeitarbeit für ausländische Arbeits- und Fachkräfte öffnen.“ Dass auch Drittstaatler zugelassen werden, steckt in diesem Passus noch nicht drin, zumal es dazu auch noch keinen Konsens gibt.  

Knackpunkt Spracherwerb  

Eine wichtige Voraussetzung für die Einwanderung von Fachkräften ist, dass es für ausländische Menschen mehr Möglichkeiten geben muss, Deutsch zu lernen. Daher berichteten Experten und Expertinnen der Zeitarbeitsbranche in unserem Round Table auch von einer skeptischen Haltung. „Manche unserer Kunden haben Bedenken beim Einsatz von Ausländern“, sagt etwa Marcus Haase von der DIS AG, denn: „Vor allem die Sprachhürde bereitet ihnen Sorgen.“ In den Koalitionsverhandlungen gibt es zwar einen Konsens zur Notwendigkeit der Sprachkurse: „Wir werden ein bedarfsgerechtes Angebot an Berufssprachkursen auf Dauer absichern und in der Fläche ausbauen.“ Allerdings hat man sich noch nicht darauf geeinigt, wie. Die SPD schlägt dazu lediglich vor: „Dafür führen wir unter anderem einen weiteren Arbeitsentgeltzuschuss im SGB III ein, wenn Arbeitgeber Beschäftigte für den Kursbesuch in der Arbeitszeit freistellen.“  

Geht es speziell um geflüchtete Menschen, so sind sich die Parteien aber einig, dass sie die Integration dieser Arbeitskräfte „mit einer Verbindung aus früher Arbeitserfahrung, berufsbegleitendem Spracherwerb und berufsbegleitender Weiterbildung oder Qualifizierung dauerhaft voranbringen“ wollen. 

Arbeitsschutz 

Bei einem Thema scheinen sich Union und SPD absolut einig zu sein: der Arbeitsschutz. Jedenfalls ist dieser Abschnitt in dem Papier zu den Koalitionsverhandlungen der einzige, bei dem es eine Einigung ohne offene Forderungen der einen oder anderen Partei gibt. Allerdings steckt auch noch wenig Konkretes drin, sondern eher allgemeine Haltungen: „Wir wollen die Prävention vor psychischen Erkrankungen stärken“ und „Wir sorgen für gute Arbeitsbedingungen für körperlich stark belastete Berufsgruppen“. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Berufskraftfahrer sowie Menschen in der Kurier-, Express- und Paketdienstbranche wird aber explizit genannt. 

Plattformarbeit 

Am 1. Dezember 2024 trat die neue EU-Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Plattformarbeit in Kraft. Plattformarbeit ist eine Beschäftigungsart, bei der Personen über eine Online-Plattform beauftragt werden, spezifische Dienstleistungen für ein Unternehmen zu erbringen. Häufig ist jedoch der arbeitsrechtliche Status der Plattformbeschäftigten unklar. Sind sie selbstständig, oder stehen sie in einem Arbeitsverhältnis? Die Mitgliedsstaaten haben bis Dezember 2026 Zeit, die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. 

Während die Union fordert, dass die Umsetzung der EU-Plattform-Richtlinie 1:1 erfolgt, wünscht sich die SPD eine „ambitionierte“ Umsetzung. Eine Einigung scheint es bisher nicht zu geben. 

Betriebsräte 

Beim recht umfangreichen Abschnitt Arbeitsrecht gibt es lediglich eine Einigung: „Wir ermöglichen Online-Betriebsratssitzungen und Online-Betriebsversammlungen zusätzlich als gleichwertige Alternativen zu Präsenzformaten.“ Zusätzlich soll die Option, online Betriebsratsmitglieder zu wählen, im Betriebsverfassungsgesetz verankert werden.  

Erst vor wenigen Wochen urteilte das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass Arbeitgeber den Gewerkschaften keinen Zugriff auf die betrieblichen E-Mail-Adressen der Belegschaft geben müssen – entschieden wurde dies jedenfalls für einen Fall in der Pandemie. Ein digitaler Zugang wurde also verneint. „Der Gesetzgeber hat den Arbeitgebern, vereinfacht gesagt, keine weiteren Pflichten auferlegt als das Betriebstor zu öffnen und den Zutritt der Gewerkschaft und ihrer Vertreter zu dulden“, sagte uns vor einiger Zeit etwa Dirk Lenzing, Rechtsanwalt mit Schwerpunkt Arbeitsrecht aus Münster. Das BAG habe dazu in der Vergangenheit betont, so Lenzing, dass „die Nutzung von E-Mails und das Betreten des Betriebs so verschiedene Dinge seien, dass eine Analogie nicht in Betracht komme”. 

Insofern ist es nun durchaus überraschend, dass sich die Parteien in den Koalitionsverhandlungen auf folgendes geeinigt haben: „Wir ergänzen das Zugangsrecht der Gewerkschaften in die Betriebe um einen digitalen Zugang, der ihren analogen Rechten entspricht.“ 

Künstliche Intelligenz 

Zum Sondierungspapier kommentierten die Arbeitsrechtler Ferdinand Groß und Till Heimann von der Kanzlei Kliemt: „Bedauerlicherweise nahezu völlig unter den Tisch gefallen, ist das Thema KI auf dem Arbeitsmarkt. Gerade hier wären klarere und einfachere regulatorische Leitplanken wichtig und von vielen Unternehmen gewünscht“, so ihr Resümee. Es war lediglich die Rede davon, dass man „die richtigen Rahmenbedingungen setzen“ wolle, um den Herausforderungen beim Einsatz von KI gerecht zu werden. 

Der EU AI Act wurde vergangenes Jahr verabschiedet und muss bis Mitte 2026 in nationales Recht umgesetzt sein. Allerdings schon zum Sommer dieses Jahres müssen die EU-Mitgliedsstaaten eine nationale KI-Aufsicht benennen. Hierauf müssten die Parteien in den kommenden Monaten eigentlich eingehen. Im aktuellen Papier zu den Koalitionsverhandlungen steht neben dem Vorhaben, Rahmenbedingungen zu setzen, allerdings nur noch dieser Passus der SPD drin: „Der Einsatz von KI im Unternehmen erfordert sowohl die Qualifizierung der Beschäftigten als auch die faire Regelung des Umgangs mit den Daten im Betrieb.“ Eine Einigung gibt es zur KI also noch nicht. Es ist lediglich beschlossen, dass die Belange von Menschen mit Behinderungen bei der Entwicklung von KI-Systemen berücksichtigt werden.  

Rente 

In Sachen betriebliche Altersversorgung (bAV) wurde sich nun darauf geeinigt, dessen Verbreitung besonders in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und bei Geringverdienern weiter voranzutreiben. Helfen sollen dabei folgende Vorhaben: „Wir werden die betriebliche Altersvorsorge digitalisieren, vereinfachen, transparenter machen und entbürokratisieren. Die Portabilität der betrieblichen Altersvorsorge für Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeberwechsel wollen wir erhöhen.“ 

Um Menschen im Renteneintrittsalter als Arbeitskräftepotenzial im Arbeitsmarkt zu halten, soll weiterhin ein Verbot aufgehoben werden: „Wir erleichtern die Rückkehr zum bisherigen Arbeitgeber nach Erreichen der Regelaltersgrenze, indem wir das Vorbeschäftigungsverbot aufheben und dadurch befristetes Weiterarbeiten ermöglichen.“ Das Verbot regelt, dass eine sachgrundlose Befristung nicht zulässig ist, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis bestanden hat. Auch die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Rentnerinnen und Rentner in der Grundsicherung im Alter sollen verbessert werden. 

Inklusion 

Neben mehr Barrierefreiheit im privaten und öffentlichen Raum gibt es auch Einigkeit über die Inklusion von Menschen mit Behinderung in den Arbeitsmarkt. Geplant ist, die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) besser mit Einrichtungen der beruflichen Rehabilitation und der Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur für Arbeit zu vernetzen. Auch die Schwerbehindertenvertretungen soll gestärkt werden. In dem Papier finden sich einige weitere Ausführungen zur Inklusion, die aber nicht direkt den Arbeitsmarkt betreffen. 

Arbeitszeit 

Union und SPD hatten sich bereits in den Sondierungen auf Folgendes geeinigt: Statt einer täglichen soll zukünftig auch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit möglich sein. Die SPD fordert aber diesbezüglich: „Voraussetzung ist eine repräsentative tarifvertragliche Regelung oder betriebliche Vereinbarungen auf der Grundlage eines Tarifvertrages sowie eine gesetzliche Regelung der elektronischen Arbeitszeiterfassung.“ Die Union fordert hingegen ohne Einschränkungen: „Eine verpflichtende taggenaue Arbeitszeiterfassung wird nicht vorgeschrieben.“ 


Seit dem vielbeachteten BAG-Urteil zur Zeiterfassung herrscht die Sorge, dass die Vertrauensarbeitszeit nicht mehr möglich sein wird. Im Referentenentwurf des geplanten Arbeitszeitgesetzes unter Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) hieß es seinerzeit, dass sie weiterhin eingesetzt werden kann. Allerdings nicht in Form des gegenseitigen Vertrauens ohne Zeiterfassung, sondern nur in der Form, dass der Arbeitgeber darauf verzichtet, der Arbeitnehmerin oder dem Arbeitnehmer Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit vorzuschreiben. Aus dem Papier zu den Koalitionsverhandlungen ist nun folgende Unions-Forderung zu entnehmen: „Die Vertrauensarbeitszeit bleibt ohne Zeiterfassung uneingeschränkt möglich.“ Weitere Ausführungen oder gar eine Einigung gibt es dazu aber noch nicht. 

Familienstartzeit 

Im Koalitionsvertrag der Ampel war die Einführung einer zweiwöchigen Familienstartzeit vorgesehen. Dadurch sollten insbesondere auch Väter eine bezahlte Elternzeit erhalten. In den jetzigen Koalitionsverhandlungen taucht dieses Vorhaben wieder auf, allerdings nicht in der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, aus der alle obenstehenden Ergebnisse stammen, sondern in der Arbeitsgruppe Familie, Frauen, Jugend, Senioren und Demokratie.  

Allerdings scheint eine Einigung noch nicht in Sicht. Die Familienstartzeit wird aufgeführt unter „Offene Punkte – keine Priorisierung“. Unter dem Stichwort „Familienstartzeit/ Partnerfreistellung nach Geburt“ fordert die SPD: „Wir werden baldmöglichst eine Freistellung für Väter oder Partnerinnen und Partner bei voller, umlagefinanzierter Lohnfortzahlung in den ersten zwei Wochen nach Geburt eines Kindes (Familienstartzeit) einführen. Auch Alleinerziehende sollen eine Person benennen können, die sie unterstützt.“ Die derzeitige Sicht der CDU/CSU dazu: „Ablehnung“. 

Weitere einzelne Vorhaben, zu denen es eine Einigung gibt:

  • „Wir wollen das Betriebliche Eingliederungsmanagement auch aufgrund zunehmender psychischer Erkrankungen bekannter machen und stärken die Bekanntheit besonders in kleinen und mittelständischen Unternehmen.“
  • „Die Entsendemeldung in der EU wollen wir durch die Reform der eDeclaration technisch erleichtern und streben eine Bündelung mit dem sogenannten A1-Verfahren an.“
  • „Das Friseurgewerbe ist in den Katalog der Branchen im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz aufzunehmen.“
  • „Die große Zahl an Personen über 25 Jahre ohne Berufsabschluss wollen wir durch abschlussorientierte Teilqualifikationen nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren.“

Info

Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.