Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Erneut Streit um Klarnamen bei kununu-Bewertungen

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Im Fall um die Anonymisierung von kununu-Bewertungen zeichnet sich das Hin und Her zwischen Arbeitgebern und dem Portal für Arbeitgeberbewertungen weiter fort. Die Gerichte sind sich uneins – wie ein aktueller Beschluss aus Hamburg erneut zeigt. Anfang des Jahres war es zu einem schwerwiegenden Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamburg gekommen: Wenn ein bewertetes Unternehmen daran zweifelt, ob der Nutzer oder die Nutzerin hinter einer negativen Bewertung echt ist und wirklich im Kontakt zu ihm als Mitarbeitender oder Bewerbender stand, muss kununu entweder den Klarnamen des Users herausgeben oder den Beitrag löschen. Dass der Arbeitgeber statt des Klarnamens anonymisierte Dokumente wie Zeugnisse, Kündigungen oder Gehaltsabrechnungen erhält, reicht laut Gericht nicht aus, um die bewertende Person zu identifizieren. Nur dann könne ein Arbeitgeber aber die Legitimität der Bewertung überprüfen und ausschließen, dass es sich nicht etwa um einen Konkurrenten handle.  

Kununu legte Widerspruch ein, denn die Möglichkeit einer anonymen Bewertung sei „ein grundlegendes Recht“, für das kununu „rigoros kämpfen“ wolle. Es sei wichtig für den unverstellten Blick der Arbeitgeber auf ihr Unternehmen, äußerte die CEO Nina Zimmermann nach Bekanntwerden des Rechtsstreits. Das Landgericht (LG) Hamburg hob daraufhin im April dieses Jahres die vom OLG Hamburg im Eilverfahren erlassene einstweilige Verfügung auf – wir berichteten. Doch die Gegenseite gab nicht auf: Rechtsanwalt Jan Meyer von der Kanzlei SterneAdvo, der den Arbeitgeber vertritt, kündigte damals an, er werde Berufung beim OLG einlegen. Auf Anfrage unserer Redaktion teilt er mit, dass er dies auch tat und dass das Verfahren aktuell daher wieder beim OLG liege. 

BGH: Geschwärzte Unterlagen reichen aus 

Gibt das OLG dem Arbeitgeber im Eilverfahren erneut recht, könne sich Jan Meyer vorstellen, dass kununu bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) zieht, um für die Anonymisierung von User-Bewertungen zu kämpfen. Dieses Vorhaben äußerte auch die kununu-CEO bereits Anfang des Jahres. Denn genau mit dieser Institution argumentiert die Tochter der New Work SE: „Der BGH hat mehrfach betont, dass die Abgabe anonymisierter Bewertungen in Bewertungsportalen wie kununu gesetzlich anerkannt ist“, hieß es in der Stellungnahme der CEO. Zudem reiche es laut BGH aus, geschwärzte Unterlagen weiterzuleiten, ohne dass der Klarname des Bewerters oder der Bewerterin herausgegeben werden muss. Auch sei es die Pflicht eines Bewertungsportals, die Anonymität der Nutzer und Nutzerinnen zu gewährleisten. Auf Anfrage unserer Redaktion lässt kununu mitteilen, sie seien „zuversichtlich, dass spätestens vor dem Bundesgerichtshof Klarheit in unserem Sinne geschaffen wird.“ 

Der Prozess samt BGH könne sich laut Meyer bis 2027 hinziehen, da parallel zum Eilverfahren ein normales Klageverfahren geführt werden muss, welches aber bereits vor dem LG Hamburg stattfindet. Der Termin zur mündlichen Verhandlung ist dort für Ende des Jahres 2024 angesetzt. Die zwei Bewertungen, um die es in diesem Prozess geht, sind dem Anwalt zufolge aber derzeit nicht online. 

LG Hamburg macht Rolle rückwärts 

Während dieser Prozess also aktuell weder im Eilverfahren noch im Hauptsacheverfahren endgültig entschieden wurde, gab es Anfang August einen weiteren Beschluss. Jan Meyer beantragte für einen anderen Mandanten erneut eine einstweilige Verfügung gegen kununu. Auch in diesem Fall musste sich das LG Hamburg damit beschäftigen. Kam es bei dem Rechtsstreit im ersten Halbjahr 2024 noch zu dem Schluss, die einstweilige Verfügung gegen kununu abzuweisen und damit dem OLG Hamburg zu widersprechen, so entschied dieselbe Kammer bei dem jüngsten Eilverfahren überraschenderweise anders: Per Eilbeschluss wurde kununu dazu verurteilt, eine rechtswidrige Bewertung zu löschen. „Da nicht von dem Bestehen eines tatsächlichen Geschäftskontakts […] ausgegangen werden kann”, wie es in dem Beschluss heißt, der unserer Redaktion vorliegt, handle es sich um unzulässige Meinungsäußerungen.

Alternativ hätte kununu den Namen der Person herausgeben müssen, die die rechtswidrige Bewertung abgegeben hat. Kununu würde sonst ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten drohen (Az.: 324 O 305/24). Das Gericht erklärte, dass kununu für die Bewertung hafte, weil das Portal seine Prüfpflichten nicht erfüllt habe. Kununu konnte nicht nachweisen, dass die Bewertung auf einem echten Geschäftskontakt basiert. 

Das Arbeitgeberportal weigerte sich erneut, den Klarnamen herauszugeben und reichte stattdessen geschwärzte Unterlagen ein. Diese waren aber zum Schutz des kununu-Users und im Sinne der DSGVO so weit anonymisiert, dass der Arbeitgeber die Person nicht identifizieren konnte. Genau das müsse dem Unternehmen laut OLG-Beschluss aber möglich sein. Bleibt bei einer Gehaltsabrechnung aber noch nicht einmal das monatliche Gehalt stehen, sondern im Grunde nur der Name des Arbeitgebers, komme man Meyer zufolge nicht weiter. Je nachdem, wie viele Mitarbeitende ein Unternehmen hat, könne man nach der Argumentation von kununu auch mit solchen geschwärzten Unterlagen das Bestehen eines Geschäftskontakts nachweisen. In diesem Fall reichten die anonymisierten Dokumente aber nicht aus, so das LG Hamburg. Demgegenüber steht die Rechtsprechung des BGH, wonach die Anonymität der Bewertenden gewahrt werden soll. Damit einher gehen allerdings umfangreiche Prüfungspflichten bei beanstandeten Bewertungen, die der BGH den Bewertungsportalen im Zuge der Urteile auferlegt hat. 

Die Bewertung hat kununu wegen der erlassenen einstweiligen Verfügung offline genommen. Kununu habe zwar bisher noch keinen Widerspruch erhoben, werde dies aber tun, wie die Gegenanwälte kürzlich ausrichten ließen, so Rechtsanwalt Jan Meyer, der den Arbeitgeber in dem einstweiligen Verfügungsverfahren vertritt. 

„Von Mobbing bis sexuelle Belästigung ist hier alles dabei“ 

Anwalt Jan Meyer hat sich auf die Anfechtung unzulässiger Online-Bewertungen spezialisiert. Bezüglich kununu hat er noch „viele andere Fälle“ bezüglich etwa 30 Bewertungen mit einem Streitwert über 300.000 Euro vor Gericht gebracht. Alle bisher abgeschlossenen Fälle wurden zugunsten der Arbeitgeber entschieden, sodass kununu Bewertungen löschen musste oder ausreichend Nachweise geliefert hat. Damit seien seine Mandanten in der Regel zufrieden. Es gebe aber auch Fälle, da reicht den Arbeitgebern das nicht aus. Eine Bewertung wurde beispielsweise betitelt mit „Von Mobbing bis sexuelle Belästigung ist hier alles dabei“. Nach Aussage des Arbeitgebers sei an dem Vorwurf nichts dran, Nachforschungen hätten dies ergeben und man war bereit, dazu eidesstattliche Versicherungen abzugeben. Da aufgrund dieser Bewertung Bewerber und Bewerberinnen abgesagt haben, dadurch Projekte eingestellt werden mussten und das Firmenwachstum ausgebremst wurde, seien die Folgeschäden so groß gewesen, dass nun entsprechende Schadensersatzansprüche gegen den Verfasser im Raum stehen. 


Bei Straftaten wie falscher Verdächtigung, Verleumdung oder Beleidigung kann laut Meyer der Anspruch auf Herausgabe der Identität gerichtlich erwirkt werden. Wenn Unternehmen nicht wissen, wer die Straftat begangen hat, können sie auch nicht gegen sie vorgehen. Eine Löschung der Bewertung reiche für den Mandanten laut Meyer dann regelmäßig nicht aus. Das Recht auf Meinungsäußerung, welches im Internet auch anonym gilt, solle keineswegs eingeschränkt werden. Doch bei rechtswidrigen Inhalten müsse es dem Arbeitgeber möglich sein, dagegen vorzugehen. 

So prüft kununu die Bewertungen  

Kommt es zu einer Beschwerde eines Unternehmens, so geht das Portal eigenen Aussagen in etwa so vor, wie es der BGH vorgibt. Kununu teilt unserer Redaktion diesbezüglich mit: „Wenn ein Unternehmen eine Bewertung bei uns meldet und anzweifelt, dass diese bewertende Person im Unternehmen gearbeitet hat, so kontaktieren wir den Nutzer und erfragen einen Tätigkeitsnachweis. Erhalten wir diesen Nachweis, verifizieren wir ihn, schwärzen wir alle sensiblen Hinweise, die auf die Identität der Nutzer Rückschluss geben, vor der Weitergabe an das meldende Unternehmen.“  

In Anbetracht von Bewertungen, die schwere Vorwürfe wie sexuelle Belästigung beinhalten, stellt sich aber auch die Frage, ob und wie kununu solche Aussagen im Vorhinein überprüft. Sicherlich überprüft nicht jedes Unternehmen täglich die eingegangenen Bewertungen, um sich zeitnah äußern und wehren zu können. Noch bevor sich ein Unternehmen bezüglich einer Bewertung bei kununu meldet, durchlaufe jede Bewertung eine „technisch-automatisierte Kontrolle, in der technische und textliche Parameter geprüft werden“, heißt es vonseiten kununus. „Identifiziert der Algorithmus Auffälligkeiten, zu denen auch fest definierte Begrifflichkeiten gehören, wird die betreffende Bewertung manuell von unserem Content Quality & Support-Team überprüft.“ Entspreche die Bewertung nicht den Richtlinien, so werde die bewertende Person über die angegebene E-Mail-Adresse kontaktiert mit der Bitte um Anpassung oder Nachweis. Was zu den „fest definierten Begrifflichkeiten“ zählt, die der Algorithmus aufspüre, konkretisierte kununu nicht.  

Die erwähnte Bewertung gegen Meyers Mandanten mit dem Titel „Von Mobbing bis sexuelle Belästigung ist hier alles dabei“ ist kein Einzelfall. Auf kununu gibt es zahlreiche andere Einträge mit diesem Vorwurf gegen namhafte Unternehmen. Dort heißt es unter anderem „Sexuelle Belästigung wird gesehen, aber etwas dagegen unternommen? Fehl am Platz.“ oder „Sexuelle Belästigung der weiblichen Kollegen ist Standard dort. Teilweise wird direkt an den Busen oder sonstwohin gegrapscht.“ Nicht immer nutzten die Arbeitgeber dabei die Möglichkeit, in Form eines Kommentars auf die Bewertung zu reagieren. Da all diese Vorwürfe noch online sind, ist davon auszugehen, dass die Unternehmen die Bewertung entweder nicht bei kununu beanstandet haben oder dass kununu tatsächlich überprüfen konnte, dass die Bewertenden bei dem Unternehmen gearbeitet oder sich beworben haben.  

Was können Arbeitgeber tun? 

Möchte sich ein Arbeitgeber aber selbst davon überzeugen, wer die Person ist, die diese Geschehnisse schilderte – um den Vorfall intern zu prüfen oder aber um Schadensersatzansprüche geltend zu machen – so könnte dies schwierig werden. Die derzeit noch offenen Rechtsstreitigkeiten zwischen Anwalt Jan Meyer beziehungsweise seinen Mandanten und kununu zeigen, dass es den Arbeitgebern derzeit kaum möglich ist, die Bewertenden ausfindig zu machen. Auch nicht, wenn sie dem Unternehmen vorwerfen, sexuelle Belästigung zu tolerieren. Bei diesen Vorwürfen scheint eine Löschung der Bewertung seitens kununu zudem kaum auszureichen. Erstens kann der Vorfall intern nicht geklärt werden, zweitens beseitigt es bereits stattgefundene Imageschäden nicht.  

Auf die Frage, wie sich Arbeitgeber nach Auffassung von kununu gegen falsche Behauptungen und missbräuchliche Bewertungen von Konkurrenten schützen sollen, wurde unserer Redaktion mitgeteilt: „Grundsätzlich sind wir der Überzeugung, dass Kritikfähigkeit für Arbeitgeber eine große Chance bietet, um Vertrauen zu schaffen und sich als dialogoffenes Unternehmen zu zeigen.“ Ansonsten gelte, dass Bewertungen, die gegen die bestehenden Regeln verstoßen, jederzeit gemeldet werden dürften und sollten. Arbeitgeber seien unwahren Tatsachenbehauptungen gegenüber auf kununu nicht schutzlos ausgeliefert. 

Den Ausgang der Rechtsstreitigkeiten sollten Arbeitgeber aufmerksam verfolgen, denn neben dem Strafrecht gilt es, auch die arbeitsrechtliche Relevanz einzubeziehen. Kommt es zu einer beleidigenden oder rufschädigenden Äußerung des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin über den Arbeitgeber, verletzt er die Rücksichtnahmepflicht. Dann riskiert er oder sie nicht nur den eigenen Job, sondern muss mit der Geltendmachung von Schadensersatz- und Unterlassungsansprüchen rechnen. Kununu teilte mit, dass von den über 700.000 Bewertungen, die 2023 abgegeben wurden, „eine einstellige Prozentzahl“ von Unternehmen gemeldet wurde. Selbst bei einem Prozent wären das also 7.000 Bewertungen, die Unternehmen gemeldet haben. „Eine nicht unerhebliche Zahl“ davon seien aber auch ungerechtfertigte Beanstandungen gewesen.

Info

Gesine Wagner betreut als Chefin vom Dienst Online die digitalen Kanäle der Personalwirtschaft und ist als Redakteurin hauptverantwortlich für die Themen Arbeitsrecht, Politik und Regulatorik. Sie ist weiterhin Ansprechpartnerin für alles, was mit HR-Start-ups zu tun hat. Zudem verantwortet sie das CHRO Panel.