Differenzieren oder verlieren. Diese Marketingweisheit gilt auch für monetäre Vergütungssysteme, wenngleich diese hier schnell an ihre Grenzen stoßen: Was gesetzlich bzw. tariflich normiert und häufig nicht transparent ist, kann kaum den Unterschied im Hinblick auf Arbeitgeberattraktivität machen.
Mehr Potenzial bieten dagegen berufliche Nebenleistungen – Benefits –, denn hier haben Unternehmen mehr Freiheiten, sich bei Talenten und Investoren arbeitnehmerfreundlich zu positionieren und zudem im Rahmen der geforderten nicht-finanziellen Berichterstattung ein modernes mitarbeiterfreundliches Gesicht zu zeigen.
Doch wie gehen Unternehmen aktuell mit dem Thema um – welche grundlegenden Ansätze verfolgen sie? Antworten und Empfehlungen gibt eine aktuelle Studie.
Benefits – lieber lokal als global
Auf den ersten Blick scheint die Bedeutsamkeit des Themas Unternehmen bewusst zu sein: 79 Prozent der Teilnehmer an einer Studie, die das Beratungshaus hkp///group kürzlich dürchführte, stufen Benefits für die Gewinnung von Talenten als hoch bis sehr hoch ein; 71 Prozent messen ihnen eine hohe bis sehr hohe Bedeutung für die Talentbindung bei. Das legt den Schluss nahe, dass Unternehmen auch global auf attraktive Benefits setzen – entweder, weil sie vor Ort engagierte kompetente Mitarbeitende benötigen oder weil im Rahmen ihrer virtuellen Arbeitswelt bestimmte Jobs auch über weite Entfernungen hinweg durchgeführt werden.
Dennoch zeigt die Studie, dass der althergebrachten Ansatz weiter dominiert: „Compensation global, Benefits local“. So verfügt nur rund ein Drittel (36 Prozent) der Studienteilnehmer über global gültige Konzernstandards. Meist werden Benefits an lokalen Anforderungen bzw. gesetzlichen Vorgaben ausgerichtet, die aus Arbeitnehmersicht oft wenig attraktiv sind. Im Kontrast zur Internationalisierung von Organisationen und Geschäftsmodellen fehlen oft globale Standards, gerade für Benefits, die überall auf der Welt wichtig sind wie flexible Arbeitszeitregelungen, bezahlter Urlaub, Mutterschafts- bzw. Elternzeiten, die Freistellung zur Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger bis hin zu Krankenversicherung und Maßnahmen zur Gesundheitsförderung.
Innovative Benefits kaum verbreitet
Die genannte Studie hat auch die Marktüblichkeit von Benefits untersucht. Eines der wichtigsten Ergebnisse: In den meisten Unternehmen spielen innovative Angebote keine Rolle, obwohl diese das größte Differenzierungspotenzial sowohl nach innen als auch nach außen bieten.
Ein Beispiel sind bezahlte Freistellungen nach der Geburt eines Kindes, auch Familienstartzeit oder Vaterschaftsurlaub genannt. Einige Unternehmen (wir berichteten) sagen sie seit einiger Zeit zu, darunter auch Siemens Energy. Es bietet sie weltweit an und geht damit in vielen Ländern über die lokalen gesetzlichen Mindeststandards hinaus. Ein weiteres Beispiel sind Angebote, die Mitarbeitende in deren Kinderwunsch unterstützen (Fertility Benefits), etwa durch die Übernahme von Behandlungskosten oder Informationen zu Behandlungsmethoden. In den USA stehen solche Leistungen hoch im Kurs. Sie richten sich zwar an eine überschaubare Zielgruppe, tragen aber enorm zum Arbeitgeberimage bei. In Deutschland agiert Merck als einer der wenigen Vorreiter in diesem Bereich.
Wesentlich mehr Unternehmen – auch in Deutschland – unterstützen die mentale Gesundheit ihrer Belegschaft. Sie bieten Möglichkeiten zur Information, Prävention, Selbsthilfe sowie Konsultation von externen Experten. Die Motivation: Wenn wichtige Arbeitskräfte mental bedingt ausfallen, dann handelt es sich in der Regel um längere Absenzen mit ungewissem Ausgang – ein Risiko, das Unternehmen reduzieren können, wenn sie in Plattformen investieren, die zur Stärkung der mentalen Gesundheit beitragen.
Aus einem Standardbenefitspaket ein individuelles machen
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Studie wurden auch danach gefragt, auf welcher Modellbasis sie Benefits anbieten. Cafeteria-Systeme bieten nur 2 Prozent an, teil-flexible Benefits 7 Prozent, zielgruppengerechte Standardportfolios 14 Prozent und Modelle ohne Wahlmöglichkeit 77 Prozent. Die meisten Unternehmen setzen also auf Effizienz.
In der Einschätzung der Studienautoren haben Unternehmen damit noch zu wenig verstanden: Je mehr Wahlmöglichkeiten Mitarbeitende haben, desto mehr befassen sie sich mit den jeweiligen Angeboten und desto mehr können sie sich für die Lösungen begeistern, für die sie sich gemäß ihrer eigenen Präferenzen entschieden haben. Erst so kann aus einem Standardbenefitspaket ein individuelles werden.
Weil die mit Abstand meisten Studienteilnehmer effiziente Benefitsportfolien bevorzugen, verwundert es kaum, dass nur jedes sechste Unternehmen seinen Mitarbeitenden Benefits über eine digitale Plattform anbietet. Und weil Unternehmen meist der Vereinheitlichung den Vorzug vor Individualisierung und Flexibilisierung geben, kommen sie mit der Verwaltung der Benefits auch vorwiegend allein zurecht: Bei 45 Prozent der Studienteilnehmer erfolgt die Verwaltung intern und zentral. Ledglich 3 Prozent geben diese Prozesse ganz in die Hände externer Dienstleister.
Benefitsportfolios regelmäßig überprüfen
Doch Benefitsportfolios müssen nicht nur verwaltet, sondern auch gestaltet werden. Neue Benefits kommen auf den Markt, manche werden zum Ladenhüter. Gleichzeitig verändern sich Mitarbeiterpräferenzen im Lauf der Zeit. Dies alles erfordert eine regelmäßige Überprüfung von Portfolios. Das geschieht bei der Hälfte der Studienteilnehmer durch Impulse des Betriebsrats, dezidierte Arbeitsgruppen oder infolge von Mitarbeiterbefragungen. Rund zwei Drittel (66 Prozent) der Teilnehmer orientieren sich am Nutzungsverhalten ihrer Belegschaft.
Insgesamt nehmen Unternehmen für Benefits nicht wenig Geld in die Hand. Die Kommunikation des monetären Gegenwerts ist allerdings eher eine Seltenheit. Dabei wäre das Wissen der Mitarbeitenden um den finanziellen Vorteil hilfreich, um in ihren Augen nicht nur die Benefits noch besser aussehen zu lassen, sondern auch ihren Arbeitgeber.
Fazit: Rücken Sie Benefits ins Rampenlicht!
Unternehmen erkennen zunehmend die Relevanz von Benefits, die – ungeachtet ihres deutschen Namens als Nebenleistung – durchaus ins Rampenlicht gehören. Soll das gelingen, sollte das Benefitsmanagement die Anforderungen von Regulatorik und Investoren berücksichtigen, auf globale Mindeststandards und Innovationen setzen und damit als Teil der Kapitalmarkt-Story strategiekonform gestaltet werden.
Darüber hinaus braucht es das Ohr an den Mitarbeitern – und auch technologisch zeitgemäße Plattformen für eine Individualisierung und Flexibilisierung der Angebote entlang des Employee Life Cycles, verbunden mit einer zielgruppengerechten internen Kommunikation. Es sollten sich vor allem solche Angebote im Portfolio finden, die eine Wirkungskette bilden von der Mitarbeiterzufriedenheit zur Unternehmensperformance.
Unter dem Strich bieten sich Unternehmen viele Chancen, aus ihrem Benefitsangebot einen strategischen Game Changer zu machen, der dazu beiträgt, personalpolitische Ziele und deshalb auch unternehmerische Ziele zu erreichen. Dabei geht es nicht um ein operatives Klein-Klein, sondern um die weite Perspektive im Sinne einer sozial nachhaltigen Unternehmensführung.
Autor
Sasa Basta ist Senior Director, Johannes Brinkkötter und Petra Knab-Hägele sind Senior Partner bei der hkp///group.
Den Studienreport „Arbeitgeberattraktivität neu definiert – Benefits im Spannungsfeld von Standards, Innovation und Governance. Ergebnisse und Erkenntnisse einer aktuellen hkp///group Studie“ können Sie hier herunterladen.
