Vor fast genau drei Jahren erklärte die Weltgesundheitsorganisation WHO die durch das Virus Covid-19 ausgelöste Krankheitswelle zu einer weltweiten Pandemie. Büroarbeiterinnen und -arbeiter in Deutschland und weltweit zogen an Homeoffice- und Esszimmertische. Scheinbar aus dem Nichts heraus gab es viel zu organisieren für die Personalabteilungen. Wir haben sechs Personalerinnen und Personaler gefragt, wie sie die Situation erlebten.
Julia Carloff-Winkelmann, damals VP People & Workplace bei SoundCloud, heute Chief People Officer beim Mobilitätsanbieter Dance
Ich habe zu dem Zeitpunkt das HR Team bei SoundCloud geleitet und wir hatten Büros in Berlin, London, New York und Los Angeles. Ich erinnere mich noch sehr genau an ein Gefühl von Unsicherheit, sowohl auf Managementebene als auch in den Teams. Der zweite Gedanke war: Haben wir das richtige Arbeitsumfeld, um uns schnell an die neuen Gegebenheiten anzupassen und weiterhin produktiv zu sein? Der dritte Impuls war dann: Es bedarf eines guten Projekt- und Kommunikationsplans, um das Arbeiten im Homeoffice global sehr schnell umzusetzen. Letztendlich klappte es viel besser, als wir gedacht hatten, und das Team war von Beginn des Lockdowns an sehr produktiv. Zusätzlich wurde das Gefühl von Zusammenhalt im Team deutlich gestärkt, da die Mitarbeitenden gesehen haben, wie wir große Herausforderungen gemeinsam meistern konnten. Das war sehr berührend.
Die größte Erkenntnis ist nach wie vor, dass Remote Arbeit wirklich funktioniert und die Mitarbeitenden aus dem Homeoffice oder von anderen Orten außerhalb des Büros sehr produktiv oder sogar produktiver als im Büro sind. Wir haben uns bei Dance daher gleich zu Beginn für ‘Remote First‘-Arbeit entschieden, als wir weniger als zehn Mitarbeitende waren. Um die besten Talente gewinnen und halten zu können, sind wir ‘default digital’ oder ‘remote-first’. Eine weitere Erkenntnis aus der Corona-Zeit ist die Fürsorgepflicht, die wir als Arbeitgeber gegenüber unseren Teams haben: Es gab einige Mitarbeitende, die sich im Homeoffice einsam fühlten, für andere war es das Gegenteil, da ihre Familie samt Kindern daheim war. Hier gilt es als Arbeitgeber, empathisch zu sein und Lösungen zu finden, die diverse Bedürfnisse befriedigen. Also zum Beispiel den Kauf von Homeoffice-Ausstattung finanziell zu unterstützen und einen Co-Working-Space bereitzustellen, remote Teambuilding zu fördern und auch persönliche Begegnungen oder Events anzubieten. Zusätzlich ist es für mich wichtig, ein Angebot zur Förderung der mentalen Gesundheit anzubieten.
Ingo Gugisch, damals HR Director Starbucks Germany bei AmRest Coffee Deutschland, heute CPO bei FR L‘Osteria
Am ersten Lockdown Tag, dem 21. März 2020, wollte ich ursprünglich meinen Geburtstag in einer schönen Gastwirtschaft feiern. Daraus wurde nichts, da alle Gastronomiebetriebe den Innenbereich schließen mussten. Als HR-Führungskraft beziehungsweise als Gastronomie-Unternehmen AmRest waren wir durch unsere Erfahrungen mit den eigenen Restaurants in China frühzeitig vorgewarnt und begannen bereits im Februar 2020, einen interdisziplinären Krisenstab einzurichten mit klaren Entscheidungs- und Kommunikationskanälen. Wir hatten bereits im März die operative Arbeit im Krisenstab aufgenommen und entsprechend auch alle Mitarbeitenden frühzeitig sensibilisieren können. Als Unternehmen ist es natürlich extrem hart, von Schließungen betroffen zu sein, da alle Umsätze von heute auf morgen wegfallen – bei bleibenden Kosten. Wir hatten täglich mindestens einen Krisen-Abstimmungscall, um die täglich neuen gesetzlichen, wie ich auch eigenen Maßnahmen im Unternehmen für Mitarbeitende und Gäste umzusetzen. Für uns als Marke Starbucks stand im Vordergrund, unter Einhaltung aller Schutz- und Hygiene-Maßnahmen für unsere Gäste – zu denen ja auch die ganzen Hilfsorganisationen oder Ordnungskräfte gehören – weiterhin über „To Go“ erreichbar zu sein.
Gerade der Zusammenhalt, zum Beispiel im Arbeitgeberverband der Systemgastronomie (BdS) oder die Fähigkeit der Gastronomie, sich schnell anzupassen an die neuen Herausforderungen wie verändertes Gästeverhalten machen es deutlich: Resilienz und Zusammenhalt sind die beiden Erfolgsfaktoren zur Bewältigung von Krisen. Wichtig war auch die enge sowie schnelle Abstimmung zwischen BdS und Gewerkschaft, da wir als erste Branche einen Kurzarbeit-Tarifvertrag mit Aufstockung auf 90 Prozent des Nettolohnes bereits am 17. März 2020 abschließen konnten und damit unseren Mitarbeitenden mehr Sicherheit geben konnten. Persönlich fand ich spannend, mit welcher Kreativität digitale Team-Building-Events erfolgreich umgesetzt wurden. So etwa digitale Backduelle, Biertastings, Teamabende mit Live Musik und vieles mehr.
Marion Rövekamp, EWE-Vorständin Personal & Recht und Arbeitsdirektorin
Für uns war die Sicherheit unserer Mitarbeitenden zentral, sodass wir sehr schnell gehandelt und Viele direkt ins mobile Arbeiten zu Hause geschickt haben. Glücklicherweise konnte unsere IT hier sehr schnell tragfähige Lösungen schaffen, sodass wir unser Geschäft nahezu unverändert weiterführen konnten. Natürlich sind wir als Energie- und Telekommunikationsunternehmen Teil der kritischen Infrastruktur und damit originär mit Krisenszenarien und entsprechender Vorsorge und Planung erprobt. Trotzdem galt es natürlich, individuelle Lösungen für die jeweiligen Berufsbilder zu finden und vor allem im Bereich der kritischen Infrastruktur physisch voneinander getrennte Schichten einzurichten. Generell haben wir den Übergang als ein dynamisches „virtuelles Zusammenrücken“ empfunden, in dem alle einander unterstützt haben.
Bis heute arbeiten wir in einem hohen Maße flexibel, also sowohl vor Ort am Arbeitsplatz als auch mobil von unterwegs oder zu Hause und auch, was unsere Arbeitszeiten angeht. Für alle Mitarbeitenden, deren Tätigkeit mobiles Arbeiten zulässt, haben wir mit unserer Mitbestimmung Szenarien vereinbart, die bis zu über 90 Prozent mobiles Arbeiten ermöglichen. Gleichzeitig bieten unsere attraktiven Arbeitszeitmodelle allen Mitarbeitenden ein hohes Maß an persönlicher Flexibilität. Beides bringt gleichzeitig mehr Teilhabe. Positiv abgespeichert haben wir vor allem unsere Fähigkeit, als Konzern, sehr schnell, effektiv und flexibel zu agieren und uns gegenseitig zu unterstützen.
Sebastian Harrer, damals Personalleiter der ING, heute Chief People Officer bei der LBBW
Anfang 2020 war ich verantwortlich für HR in der ING Deutschland. Durch die globale Präsenz der ING-Gruppe gab es schon seit einiger Zeit entsprechende Gremien auf Konzernebene, um die Pandemie zu beobachten und die lokalen Maßnahmen zu begleiten. Lange dachte ich persönlich, dass Deutschland gar nicht betroffen sein würde – so wie das beispielsweise in der Vergangenheit bei SARS der Fall war. Wie wir alle wissen, drehte sich die Situation sehr schnell, und am Freitag, den 13. März (zudem ein symbolträchtiges Datum) saßen wir mit dem Vorstand zusammen und haben beschlossen, alle Mitarbeitenden nach Haus zu schicken. Unsere brennendsten Sorgen waren: Kriegen wir alle mit Laptops versorgt? Werden die Bandbreiten der Netze ausreichen? Interessanterweise haben wir uns keine Sorgen darüber gemacht, ob alle dann noch effektiv zusammenarbeiten können, beziehungsweise ob jede und jeder weiß, was zu tun sei. Denn wir hatten gerade im September 2019 die bankweite Transformation zur „ersten vollständig agilen Bank Deutschlands“ abgeschlossen. In dem Zuge hatten wir Führung komplett neu definiert: nicht als die Instanz, die Arbeit organisiert und kontrolliert. Sondern als Möglichmacher für Teamleistung.
In der Retrospektive sehe ich zwei Aspekte an der Pandemie. Zum einen natürlich Krankheit und auch Sterben, aber auch die oftmals unsichtbare Last, die viele Menschen tragen mussten. Sei es die Arbeit in der Krankenpflege oder im Einzelhandel während der Hochphase der Pandemie oder die Nöte von Kindern und Familien, weil Betreuung und Freizeitangebote von heute auf morgen wegbrachen. Und nicht zu vergessen die Einsamkeit vieler, insbesondere älterer Menschen. Hier wünsche ich mir, dass wir als Gesellschaft das nicht leichtfertig vergessen, sondern unsere Lehren daraus ziehen.
Zum Anderen sehe ich die unglaubliche Katalysator-Wirkung der Pandemie in der Arbeitswelt. In vielen Unternehmen wurden neue Formen der Zusammenarbeit erlebbar und somit auch besprechbar, wodurch bestimmte Dogmen nachhaltig durchbrochen wurden. Die neue und grundlegende Diskussion zur möglichen Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort in der gesamten Arbeitswelt begrüße ich sehr. Aber auch hier sollten wir als HR-Verantwortliche in Unternehmen weiterdenken. Wir wissen beispielsweise, dass Hybrid Work auch eine Herausforderung für die Inklusion und die Förderung vielfältiger Talente sein kann. Wenn sich sogenannte „In-Groups“ und „Out-Groups“ bilden, und unter Umständen eher die gefördert werden, die häufiger im Büro arbeiten (bei gleicher Leistung), dann müssen wir auch hier wieder Führungskräften helfen, mit Wahrnehmungsmuster („Biases“) kompetent umzugehen, und Talent und Leistung zur Geltung verhelfen.
Kerstin Bahr, damals Personalleiterin AeroGround Flughafen München, heute Head of HR bei Gate Gormet München
Ich war damals wie in einer Schockstarre, quasi gelähmt. Keiner wusste genau, was da auf uns zu kommt. Tausend Gedanken gingen mir durch den Kopf, die ich gar nicht richtig sortieren konnte. Mittlerweile ist die Pandemie ja quasi fast schon wieder in Vergessenheit geraten.
Verrückt, noch vor einem Jahr war das ganz anders. Die Pandemie löste erstmal bei vielen Menschen Panik aus. Viele unmittelbar betroffene Unternehmen mussten um ihre Existenz bangen, zudem waren viele Menschen in einer noch nie dagewesenen Form in ihrer Freiheit eingeschränkt. Das war für alle psychisch sehr belastend und eine riesige Herausforderung. Jedoch sind viele Menschen in der Zeit stark gewachsen und vieles hat sich strukturell in hoher Schnelligkeit verändert, zum Beispiel beim Thema Mobile Office.
Britta Liesbrock, Direktorin für den Bereich „Human Resources & Organization“ bei der d.velop AG
Wir haben am 11. März 2020 unsere Mitarbeitenden „nach Hause schicken“ müssen. Ab diesem Tag arbeitete das gesamte Team – bis auf einige wenige Personen, die zwingend für den Systembetrieb vor Ort in Gescher nötig waren – im Homeoffice. Effektiv dauerte es nur einen Tag, bis zunächst rund 500 Kolleginnen und Kollegen, kurz darauf in der d.velop Gruppe – damals waren das gut 750 Personen – ins Homeoffice gewechselt waren. Wir hatten ein wenig Karenzzeit für den Übergang eingeplant, um die technischen Grundlagen für die zu schaffen, die nicht ohnehin eine flexible Homeoffice-Regelung hatten und sicheren Zugang zum Unternehmensnetzwerk benötigten. Dies ging aber schneller als erwartet und wir waren wirklich überrascht und ehrlich begeistert, mit welcher Disziplin, aber auch Motivation und Spaß die Kolleginnen und Kollegen diese Maßnahme angegangen sind, konsequent umgesetzt haben und praktisch zwei Jahre lang gelebt haben. Es herrschte von Beginn an großes Verständnis in der Belegschaft, sicher auch, weil wir alle Erwägungen und die Hintergründe permanent offen und transparent über persönliche Nachrichten und das Intranet kommuniziert haben. Sicher fiel uns als Technologieunternehmen der Wechsel wesentlich leichter als beispielsweise dem produzierenden Gewerbe, zumal wir es ohnehin gewohnt waren, ortsunabhängig agieren zu können. Allerdings natürlich nicht in dieser Konsequenz.
Inzwischen sind wir längst wieder zu einem Großteil an den d.velop-Campus zurückgekehrt. Die Vorteile des digitalen Arbeitens wie größere Flexibilität und Produktivität oder CO2-Ersparnis durch deutlich reduzierte Reisetätigkeiten nehmen wir dabei mit. Die notwendige Software, um von überall an geschäftsrelevanten Prozessen teilzunehmen, stellen wir als Softwarehersteller ohnehin selbst zur Verfügung. Auch künftig bauen wir daher im Rahmen der Eigenverantwortung der Kollegeninnen und Kollegen auf eine gesunde Mischung aus Präsenz- und Remote-Arbeit.