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So entscheiden sich Bewerber nicht für jemand anderen

Frage an die HR-Werkstatt: Wie verhindern wir, dass sich Bewerbende während oder am Ende des Prozesses doch für einen anderen Arbeitgeber entscheiden?

Es antwortet: Federica Boarini, Head of International Development bei Reverse

„Danke, aber ich möchte das Verfahren hier abbrechen, denn ich habe gerade schon bei einem anderen Unternehmen unterschrieben.“ Ein Satz, den keine HR-Abteilung gerne hört. Leider sind solche Unannehmlichkeiten trotz der Entwicklung der bestmöglichen Strategien zur Akquisition von Talenten nicht zu vermeiden. Unternehmen müssen sich zunehmend um neue Mitarbeitende bemühen. Immer häufiger gleicht die Situation im Grunde eher einem Vorstellungsgespräch des Unternehmens bei den Talenten, bei dem die Candidate Experience stimmen muss. Und natürlich muss auch das Angebot stimmen, denn ein gutes Gehalt ist heutzutage nicht mehr genug, um Talente von sich zu überzeugen.

Die veränderte Situation am Markt schlägt sich auch in dem Verhalten der Jobsuchenden nieder: Ein Großteil der Kandidatinnen und Kandidaten informiert sich ausführlich online über das Unternehmen, bevor er seine Bewerbung abschickt. Stellenanzeigen und Jobbeschreibungen werden aufmerksam geprüft, sowohl formal als auch hinsichtlich der Aufgabendetails – und nicht zuletzt darauf, wie originell sie gestaltet sind.

Unternehmen und HR-Abteilungen sollten daher ebenfalls ihre Herangehensweise ändern und anpassen, wenn sie erfolgreich sein möchten, und um nicht im letzten Moment vielversprechende Kandidatinnen und Kandidaten an andere Arbeitgeber zu verlieren. Sieben Fehler sollten sie dabei tunlichst vermeiden:

Es wird kein Feedback gegeben

Erhalten potenzielle Mitarbeitende nach dem Abschicken einer Bewerbung kein Feedback seitens des Unternehmens, wird dies als negativ wahrgenommen. In der Zukunft kann es sie davon abhalten, sich auf eine andere Position im selben Unternehmen zu bewerben, die besser zu ihrem Profil passt. Ein entschlossener Arbeitgeber, der auch bei einer Absage zeitnah kommuniziert, vermittelt Sicherheit und Seriosität. Deshalb sollten Recruiterinnen und Recruiter Bewerbende grundsätzlich über den Stand ihrer Bewerbung informieren und ihnen idealerweise mitteilen, dass sie offen dafür sind, den Kontakt aufrechtzuerhalten.

Quereinsteigende erhalten keine Chancen

Menschen ändern sich ein Leben lang. Mit diesen Änderungen kommen oft neue Interessen, Motivationen und Ziele einher. Leider ist es oft so, dass sie keine Chancen von Unternehmen erhalten und als Quereinsteigende nicht angestellt werden. Fakt ist jedoch: Auch wer aus anderen Kontexten kommt, kann die notwendige Fähigkeit zu Analyse und Kommunikation, eine hohe Lerngeschwindigkeit sowie Kreativität besitzen. Die Erfahrungen aus anderen Bereichen können sich außerdem als zusätzlicher Wert erweisen, von dem das ganze Unternehmen profitieren kann.  

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Die Motivation der Bewerbenden wird unterschätzt

Kenntnisse können mit der Zeit erweitert und verbessert werden – zum Beispiel dank gezielter Schulungen und Workshops. Motivation hingegen ist ein Wert, der sich auf lange Sicht auszahlt. Wenn Unternehmen das berücksichtigen, vermeiden sie es zudem, Menschen einzustellen, die bei der erstbesten Gelegenheit zu einem anderen Unternehmen wechseln.

Wert des Personals wird nicht kommuniziert

Nicht nur Mitarbeitende sollten Wertschätzung erfahren, sondern auch diejenigen, die es werden möchten. Daher sollten Unternehmen den Bewerbenden von Anfang an ein gutes, transparentes Angebot machen, statt zu versuchen, ihre Motivation zu prüfen. Dies schadet vor allem dem Unternehmensbild. Die Firma wird als wenig seriös gelten.

Entscheidungen dauern zu lange

Oft lassen sich Unternehmen zu viel Zeit bei der Suche nach den passenden Talenten und treffen nur langsam eine Entscheidung. Beispielsweise kommt es vor, dass sie noch abwarten wollen, weil ein potenzielles Talent nicht alle Hard Skills abdeckt. Oder sie konzentrieren sich zu stark auf Personen, für die sie einfach nicht attraktiv genug sind – und übersehen dabei die passenden Kandidatinnen und Kandidaten. Das kann dazu führen, dass die passendsten Bewerberinnen und Bewerber von anderen Unternehmen, die entscheidungsfreudiger und entschlossener sind, vor der Nase weggeschnappt werden. Das heißt selbstverständlich nicht, dass man sich mit dem Mittelmaß zufriedengeben muss, sondern dass man erkennen sollte, wann ein Beharren kontraproduktiv ist.

Einziger Fokus: Gehalt

Zwar spielt das Gehalt eine wichtige Rolle, allerdings ist es ist nicht der einzige Aspekt, der einen guten Job ausmacht. Mitarbeitervorteile und flexibles Arbeiten spiele eine zunehmend wichtige Rolle, die oft nicht integriert oder kommuniziert werden. Studien zufolge beschweren sich 74 Prozent der Kandidatinnen und Kandidaten darüber, dass sie im Verlauf des Auswahlprozesses keine Informationen über die garantierten Benefits außerhalb des Gehalts bekommen. Versuchen Sie deshalb, der Kandidatin oder dem Kandidaten Fortbildungsmöglichkeiten, Mitarbeitervorteile und Pläne zur Weiterentwicklung anzubieten – insbesondere, wenn Sie beim Jahresgehalt keinen Verhandlungsspielraum besitzen.  

Vermeintliche Details werden außer Acht gelassen

Talente legen heutzutage großen Wert auf das Gesamterscheinungsbild des Unternehmens und auf das Mitarbeiterwohlsein. Ungepflegte Gemeinschaftsräume und unglücklich wirkende Mitarbeitende können für viele abschreckend sein. Auch ein rascher Personalwechsel und Stellen, die schon lange offen sind, werden oft als negativ wahrgenommen, denn zu viele Entlassungen innerhalb kurzer Zeit und scheinbar nicht besetzbare Stellen können auf interne Missstände hinweisen. Deshalb sollten Unternehmen nicht zu stark auf eine Zusage drängen, denn dies kann schnell verzweifelt wirken.

Außerdem machen viele Unternehmen im Vorstellungsgespräch Fehler, die zum Verlust von potenziellen Talenten führen können. Beispielsweise geben sie keine Hinweise auf die Möglichkeiten flexiblen Arbeitens oder auf Maßnahmen zum Smart Working, stellen nur „Standardfragen“, möchten zu viel über das Privatleben der Kandidatin oder des Kandidaten herausfinden, oder kommunizieren keine klare Mission und Vision. All dies kann auf ein fehlendes Engagement und Bewusstsein für die Erwartungen der Talente hinweisen und zu einer Absage seitens des Talentes führen.

Fazit

Durch die Digitalisierung verändern sich viele Recruiting-Maßnahmen, weshalb für Bewerbende mehr Auswahlmöglichkeiten im Spiel sind. Für Unternehmen und Personalabteilungen bedeutet dies, an ihrer Denkweise zu arbeiten und sehr genau auf diejenigen Aspekte zu achten, die in der Vergangenheit häufig unterschätzt oder ignoriert wurden. Gleichzeitig müssen sie ihren (potenziellen) Mitarbeitenden mehr als nur Stabilität und ein gutes Gehalt bieten. Diese Aspekte in die Talent-Acquisition-Strategie einzubauen, erhöht die Chance, Menschen zu finden, die dank ihrer Skills die Unternehmensperformance von ausreichend auf hervorragend anheben, und die auch langfristig im Unternehmen bleiben.

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