Aktuelle Ausgabe neu

Newsletter

Abonnieren

Benefits: „Wir sehen einen starken Hebel bei Flexibilität“

Artikel anhören
Artikel zusammenfassen
Teilen auf LinkedIn
Teilen per Mail
URL kopieren
Drucken

Im Wettbewerb um Talente werden Unternehmen erfinderisch. Mitarbeitende-werben-Mitarbeitende-Programme, Prämien für die Vertragsunterschrift, schlanke Bewerbungsprozesse – all das soll helfen, neue Beschäftigte anzuziehen. Auch Benefits und attraktive Arbeitsbedingungen erhöhen die Arbeitgeberattraktivität enorm. Das zeigt erneut eine Studie des ifaa – Institut für angewandte Arbeitswissenschaft. Demnach schätzen 85 Prozent der Unternehmen, die das ifaa für seine Studie Anreiz- und Vergütungssysteme befragt hat, die Bedeutung von Benefits als hoch ein und gehen davon aus, dass sie in Zukunft steigen wird.

Doch was sind die beliebtesten Benefits bei Mitarbeitenden, und stimmen die Wünsche der Beschäftigten mit dem Angebot der Unternehmen überein? Auch darauf liefert die Studie Antworten. Nach den Ergebnissen sind bei Talenten die drei beliebtesten Benefits

  1. Flexibilität bei Arbeitsort und -zeit
  2. eine marktgerechte Gesamtvergütung sowie
  3. „weiche Faktoren“ wie ein gutes Verhältnis zur direkten Führungskraft und ein kollegiales Miteinander

Für die Studie hat das Institut insbesondere Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in Deutschland befragt. Insgesamt 604 Unternehmen nahmen an der Onlinebefragung teil und gaben Auskunft zu ihrem Angebot an monetären und nichtmonetären Zusatzleistungen. Die Befragung war bereits die dritte dieser Art: Das Institut führt sie seit dem Jahr 2017 alle drei Jahre durch. Zusätzlich zur neuesten Befragung hat das Institut 14 aktuelle externe Studien aus dem deutschsprachigen Raum ausgewertet, um die Wünsche der Mitarbeitenden zu erfassen und diese dem Angebot der Arbeitgeber gegenüberzustellen.

„Die Erkenntnisse aus unseren Recherchen können Unternehmen Impulse liefern, um eine eigene Benefitsstrategie aufzubauen“, sagt Amelia Gahmann, Studienautorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachbereich Arbeitszeit und Vergütung. Sie lobt: „Die Wünsche der Arbeitnehmer und die Angebote der Arbeitgeber decken sich größtenteils.“ Beim Angebot der Arbeitgeber seien lediglich der zweite und dritte Platz getauscht. So steht Flexibilität auf Platz eins, gefolgt vom Thema Führung auf Platz zwei und einer marktgerechten Gesamtvergütung auf dem dritten Rang.

Flexibilität als Hebel gegen den Fachkräftemangel

„Ein zentrales Ergebnis ist: Dem Thema flexible Arbeitsgestaltung kommt eine große Bedeutung zu“, sagt Gahmann und erläutert: „Wir sehen einen starken Hebel bei Flexibilität. Für Arbeitgeber ist das Potenzial, über diese Leistungen die eigene Attraktivität zu erhöhen und Fachkräfte langfristig zu binden, als sehr hoch einzuschätzen.“ Flexibilität sollte sich aus Gahmanns Sicht auf den Arbeitsort, aber auch auf die Arbeitszeit beziehen.

„Es kommt auf ein Gesamtpaket an, in dem die Vergütung eine Rolle spielt, aber auch Benefits sowie die weichen Faktoren wie die Führungskultur“, sagt Amelia Gahmann, wissenschaftliche Mitarbeiterin bei ifaa und Studienautorin. (Foto: ifaa – Tania Walck)

Viele Unternehmen nutzen laut der Wissenschaftlerin dieses Potenzial schon, aber „in einigen Bereichen und bei einigen Unternehmen kann es noch ausgebaut werden“. Der Haken sei häufig, dass es nicht immer organisatorisch möglich sei, Mitarbeitende flexibel arbeiten zu lassen. Einschränkungen gibt es insbesondere in produzierenden Unternehmen und bei Unternehmen, die im Schichtbetrieb arbeiten. „Aber auch hier sehen wir erste Ansätze, gerade im Hinblick auf Arbeitszeitgestaltung. Es gibt bereits Unternehmen, die eine partizipative Schichtplangestaltung haben, bei der Beschäftigte ihre Wünsche einbringen können.“

Bereits in einem früheren Projekt namens MofAPro (mobiles und zeitflexibles Arbeiten in der Produktion) hat das ifaa gemeinsam mit Unternehmen zu innovativen Ansätzen geforscht, wie Teile der Produktionsarbeit zeitlich und örtlich flexibel gestaltet werden können. „Auch wenn das deutlich schwieriger als bei Büroarbeitsplätzen ist, gibt es innovative Ansätze.“

Mit nachhaltigen Benefits punkten

Neben dem klaren Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten haben die Talente weitere Wünsche, wie sich in der Studie herauskristallisiert. „Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es die größte Steigerung in den vergangenen drei Jahren, das Angebot hat sich mehr als verdoppelt. Das zeigt, dass das von den Mitarbeitenden sehr nachgefragt wird“, sagt Gahmann. Viele Unternehmen böten beispielsweise kostenlose oder geförderte Ladestationen für Elektroautos an oder planten dies. Auch E-Bikes seien im Trend. „Das Angebot von Fahrrad- und E-Bike-Leasing hat sich im Vergleich zu 2020 mehr als verdoppelt“, so Gahmann.

Einen starken Aufwärtstrend habe es zudem bei Modellen mit Wahlarbeitszeiten und bei Sabbaticals gegeben. Mitarbeitende möchten zunehmend ihre Arbeitszeiten für gewisse Zeiträume flexibel an ihre jeweilige Lebenssituation anpassen. Viele Unternehmen haben das erkannt und ermöglichen das ihren Beschäftigten. „Auch hier spielt das Thema Flexibilität mit hinein“, so die wissenschaftliche Mitarbeiterin.

Fokus auf Vorsorge und finanzielle Absicherung im Alter

Ein überraschendes Ergebnis der Studie: „Im Rahmen der Gesundheitsvorsorge gab es unter den Befragten keine deutlichen Steigerungen, außer bei Impfungen oder Massagen am Arbeitsplatz“, resümiert Gahmann. Letzteres werde, verglichen mit der Vorgängerstudie aus dem Jahr 2020, heutzutage etwas häufiger angeboten. Zurückgegangen seien hingegen Angebote wie Rückenschulungen, Betriebssport oder Fitnesskurse. Das könne daran liegen, dass Mitarbeitende zunehmend mobil arbeiten und somit Dinge vor Ort nicht mehr so sehr nachfragen.

Die betriebliche Altersversorgung (bAV) bleibt wie auch schon in den früheren Erhebungen eine weit verbreitete Zusatzleistung. 93 Prozent der Betriebe bieten diesen Benefit mindestens einem Teil ihrer Belegschaft an. Hier gebe es laut der ifaa-Studie – anders als oft angenommen – auch keine wesentlichen Unterschiede zwischen den Altersgruppen. Zwar werde Altersvorsorge mit zunehmendem Alter wichtiger, aber auch die jüngeren Generationen hätten dieses Thema schon kurz nach ihrem Eintritt in das Berufsleben im Blick. „Es entsteht auch bei der jüngeren Generation eine Art Sensibilität, dass man vorsorgen muss“, sagt Gahmann.

Weitere häufig angebotene Leistungen der Arbeitgeber sind: Möglichkeiten zur Weiterbildung, Weihnachts- und Betriebsfeste, ein eigener Parkplatz sowie Gleitzeitkonten, mit denen Beschäftigte Stunden ansparen und in freie Tage umwandeln können.

Gahmann betont: „Nicht alles wird nachgefragt: Bei einigen Benefits hat sich das Angebot 2023 verringert, dazu zählen Haushaltsdienstleistungen, Jobsharing und Raucherentwöhnung.“ Allerdings müsse berücksichtigt werden, dass die Studie nur eine Momentaufnahme ist und das Bild vor allem aus der Elektro- und Metallindustrie stammt.

Fazit: Benefits sind nicht alles

Die Bilanz: Laut Gahmann sind Benefits ein wichtiger Hebel, um Fachkräfte anzuziehen und zu halten. Die Autorin warnt aber davor, diese isoliert zu betrachten: „Das wäre zu kurzgefasst. Ich kann nicht mit Benefits die Vergütung aushebeln.“ Das Motto: „Wir bezahlen wenig, dafür gibt es einen Obstkorb“, funktioniere schon lange nicht mehr.

Entscheidend sei vielmehr eine marktgerechte Gesamtvergütung. „Wenn eine Person das Gefühl hat, ihr Gehalt ist in Ordnung im Vergleich zu dem, was sie bei einem anderen Arbeitgeber bekommen könnte, fühlt sie sich wertgeschätzt.“ Ist diese Voraussetzung erfüllt, könnten Unternehmen die Vergütung mit Benefits und einem attraktiven Arbeitsumfeld aufwerten. „Es kommt auf ein Gesamtpaket an, in dem die Vergütung eine Rolle spielt, aber auch Benefits sowie die weichen Faktoren wie die Führungskultur. Insgesamt sollten Unternehmen ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem die Beschäftigten gern arbeiten, sich weiterentwickeln können, Perspektiven aufgezeigt bekommen und sie wertgeschätzt werden.“

Kirstin Gründel beschäftigt sich mit den Themen Compensation & Benefits, Vergütung und betriebliche Altersvorsorge. Zudem kümmert sie sich als Redakteurin um das Magazin "Comp & Ben". Sie ist redaktionelle Ansprechpartnerin für das Praxisforum Total Rewards.